Alpines Bergsteigen und Transhumanz als immaterielles Weltkulturerbe

Bergsteigen und Transhumanz wurden kürzlich in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Die Kandidatur wurde von Italien, Frankreich und der Schweiz in Bezug auf das Bergsteigen, und von Italien, Österreich und Griechenland in Bezug auf die Transhumanz vorgebracht. Während der Sitzung des UNESCO-Komitees für immaterielles Kulturerbe in Bogota wurde auch die Aufnahme der Ablasswallfahrt mit dem Namen „Perdonanza Celestiniana“ im italienischen L‘Aquila in die Welterbeliste gebilligt.

Annibale Salsa: „Eine gebührende Anerkennung“

Der Anthropologe Annibale Salsa, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Stiftung Dolomiten UNESCO und ehemaliger Präsident des CAI, gehört zu den bedeutendsten Forschern des Alpenbogens und der menschlichen Handlungen, durch welche die Landschaft erforscht und geformt wurden. Sein Kommentar zur doppelten Anerkennung für die Berge im Allgemeinen und speziell für die Dolomiten, lässt keine Zweifel offen: „Was den Alpinismus anbelangt, ist diese Anerkennung geschuldet – reden wir doch von jenen Unternehmungen, durch welche die Alpen erst „erfunden“ wurden. Die hohen Berggipfel interessierten vorher niemanden, aus dem verständlichen Grund, dass sie zur Nutzung für den Lebensunterhalt unbrauchbar waren. Deshalb wurden sie nur von Jäger aufgesucht. Mit dem Bergsteigen hat der Mensch seinen Blick nach oben gerichtet und ist über seine Grenzen hinausgegangen. Sicher geschah das anfänglich aus einer „städtischen“ Perspektive heraus, die sich aber relativ rasch, durch die Tätigkeit der lokalen Führer, zu einer montanen Perspektive entwickelte. Es war die Entdeckung eines neuen Planeten.“ Die Transhumanz ist eines der archaischsten Phänomene. Es begann mit den ersten Zähmungen von Nutztieren und stellt die Art und Weise dar, dank welcher der Mensch es schaffte, Tiere zu halten und erhalten, indem er gewissermaßen den Weideflächen folgte. Er passte sich somit der Natur an und nicht umgekehrt, die Natur an seine Bedürfnisse. Diese Gepflogenheit ist nicht mit der Sömmerung und Entsömmerung zu verwechseln. Die Wanderweidewirtschaft beruht auf einer ganzjährigen Suche nach Gras: von den Almweiden über das Mittelgebirge bis zum Meer. Apropos Dolomiten: Eine der wichtigsten Routen verbindet die Lagoraigruppe mit der venezianischen und der friaulischen Ebene. „In Frankreich gilt das Rhonetal als ein herausragendes Beispiel“, fügt Annibale Salsa hinzu, „dort sind vor allem die Wege bekannt, welche die Camargue mit Dauphiné und Savoy verbinden.“ Eine Tradition, die zu einer wichtigen Touristenattraktion geworden ist und die auch in kultureller Hinsicht aufgewertet wird, wie unter anderem die Ausbildung von Hirten an den Grundschulen bezeugt. In Italien sind die Transhumanzen im Mittelmeerraum von großer Bedeutung, wie zum Beispiel jene, welche die Abruzzen und Apulien verbinden, aber es gibt auch Almübertriebe, wie im Schnalstal in Südtirol, die zu einer Touristenattraktion geworden sind.

Was bedeutet immaterielles Erbe?

Die Dolomiten wurden von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannt. Dieses ergibt, gemeinsam mit dem Kulturerbe, die UNESCO-Welterbeliste mit den weltweit bemerkenswertesten und bekanntesten Stätten, auch in Italien. Eine besondere Bedeutung kommt dabei auch dem immateriellen Kulturerbe zu, das auf mehrfache Weise mit den anderen UNESCO-Anerkennungen verflochten ist. Die Kultur lebt in der Tat von lebendigen Traditionen, die von unseren Vorfahren übermittelt wurden. „Mündliche Traditionen, einschließlich Sprache, darstellende Künste, soziale Praktiken, Rituale, Feste, Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum oder Fachwissen über traditionelle Handwerkstechniken: Dieses Erbe ist von grundlegender Bedeutung für die Wahrung der kulturellen Vielfalt angesichts der Globalisierung; sein Verständnis trägt zum interkulturellen Dialog bei und fördert den gegenseitigen Respekt für die unterschiedlichen Lebensweisen. Seine Bedeutung liegt nicht im kulturellen Ereignis selbst, sondern im Reichtum an Wissen und Fähigkeiten, die von einer Generation auf die nächste weitergegeben werden“ (www.unesco.it).

Ph. Federica Cattaruzzi