Bis zum Jahre 2100 verlieren die Gletscher in den UNESCO-Stätten bis zu 60% ihres Volumens

Diese Nachricht erreicht uns von der IUCN – Internationale Union für Naturschutz -, die kürzlich eine Vergleichsstudie zu den 19.000 in den Welterbestätten der Welt vorhandenen Gletschern veröffentlicht hat.

Die IUCN-Studie

Die Studie „Disappearing World Heritage glaciers as a keystone of nature conservation in a changing climate“ analysiert erstmals die 19.000 Gletscher innerhalb der UNESCO-Welterbestätten auf der ganzen Welt befindlichen Gletscher, die rund 9% der gesamten Gletscher der Erde ausmachen.

Das Schrumpfen dieser Gletscher, stellt der Direktor des IUCN-Programms für Welterbestätten, Peter Shadie, fest, wäre eine Tragödie und hätte schwerwiegende Folgen für die Wasserverfügbarkeit, den Meeresspiegel und die Wettermodelle.

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Glaciers (red dots) located in natural World Heritage sites (white polygons). Their number and area are scaled with circle size and color, respectively. Site names are abbreviated, and their full names are given in Table S2. Sites abbreviated in bold are those where glaciers were one of the primary reasons for inscription on the World Heritage List. Gray polygons are glacierized regions, and black dots correspond to all other inventoried glaciers (RGI Consortium, 2017, in addition to the two continental ice sheets in Greenland and Antarctica).

Speziell den Gletschern der Dolomiten ist eine immer geringere Lebenserwartung mit den Gletschern anderer Weltnaturerbestätten gemein: so zum Beispiel dem großen Aletschgletscher in den Schweizer Alpen, dem Khumbu-Gletscher im Himalaya, dem Jakobshavn Isbrae in Grönland. Im argentinischen Nationalpark Los Glaciares befinden sich einige der größten Gletscher der Welt. Bis zum Jahr 2100 wird mit einem Rückgang von etwa 60% ihres Volumens gerechnet. Gar um 70% könnte sich das Ausmaß der Gletscher im Waterton Glacier International Peace Park, Canadian Rocky Mountain Parks und Olympic National Park in Nordamerika reduzieren, während in Europa einige Gletscher in der Welterbestätte Pyrenäen-Mont Perdu noch vor 2040 gänzlich verschwinden könnten.

Die Situation in den Dolomiten

Gehören die Dolomiten zu jenen Welterbestätten, in denen es bis zum Jahre 2100 keine Gletscher mehr geben wird? Wir haben diesbezüglich Christian Casarotto, Forscher des Muse-Museums in Trient und Glaziologe befragt, der zahlreiche Gletscher in den Alpen und Dolomiten untersucht hat.

„In Anbetracht der aktuellen, durchschnittlichen Entwicklung könnten die Gletscher der Dolomiten bis 2100 verschwunden sein“, bestätigt Casarotto. „Das wird Auswirkungen auf die Wasserwirtschaft (Erzeugung von Elektrizität und Landwirtschaft), den wirtschaftlichen Sektor (Skitourismus und bisher schneesichere Höhenlagen und Gletscher) und die Bewirtschaftung eines Gebiets geben, das infolge der Permafrostveränderungen von einer ausgeprägteren hydrogeologischen Instabilität betroffen sein wird.“

Was wird insbesondere mit der Marmolata passieren?

„Der Marmolata-Hauptgletscher erstreckte sich Mitte des 19. Jahrhunderts über eine Fläche von 5,3 Quadratkilometern. Seitdem hat der Rückzug des Gletschers dazu geführt, dass er in mehrere Teile (Hauptgletscher, mittlerer Gletscher, Gletscher der Punta Penia, Westgletscher) zersplittert ist, die insgesamt nur noch eineinhalb Quadratkilometer umfassen (Daten von Casarotto & Trenti, 2015). In 150 Jahren ist die Marmolata also um 70% geschrumpft! Besonders besorgniserregend ist heute, dass die Geschwindigkeit, mit der sich die Gletscheroberfläche reduziert, im Vergleich zur Vergangenheit deutlich angestiegen ist. Wenn sich der Gletscher Mitte des letzten Jahrhunderts im Durchschnitt um ca. 5 Meter pro Jahr zurückzog, beträgt der Rückgang nun 20 Meter, wobei die jährlichen Verluste der Eisdecke zwischen 2 Metern im obersten Abschnitt bis zu 4 Metern in tieferen Höhenlagen liegt.“

Was die möglichen „Heilmittel“ angeht, können wir uns einerseits nicht unserer individuellen, kollektiven und globalen Verantwortung entziehen, andererseits müssen spezifische Vorgehensmaßnahmen für das Dolomitengebiet getroffen werden.

„Die Ursachen für den Gletscherrückgang können in den steigenden Temperaturen zusammengefasst werden, die durch den anthropogenen Treibhauseffekt verursacht werden (mittlerweile sind sich fast alle Klimatologen darüber einig, das der primäre Grund im menschlichen Verhalten – oder vielmehr Fehlverhalten – liegt). Eine Änderung des Lebensstils und der globalen Wirtschaft ist daher notwendig, um die Emissionen von Treibhausgasen zu verringern. Aber genauso ist eine Anpassung an die Wärme erforderlich, angesichts der Tatsache, dass der Anstieg der Temperaturen im Laufe des Jahrhunderts trotz der Reduzierung der Emissionen unvermeidbar scheint. Diese Anpassung“, ergänzt Casarotto, „sollte auch zu einer Überdenkung der Geschäftspolitik eines Gebiets wie dem Weltnaturerbe Dolomiten führen, das unbedingt intakt an unsere künftige Generationen weitergegeben werden muss.“