DER BLETTERBACH, IMMER FÜR ÜBERRASCHUNGEN GUT: FOSSILIENFUNDE IN DER BLETTERBACHSCHLUCHT BEZEUGEN DIE AUSSERGEWÖHNLICHE ARTENVIELFALT, DIE DAS GEBIET VOR 260 MILLIONEN JAHREN PRÄGTE

In den Dolomiten forschen, um die Bedeutung des Schutzes der tropischen Regenwälder zu verstehen. Diese Aussage ist nicht widersprüchlich, wenn man bedenkt, dass sich die heutige Alpenregion vor 260 Millionen in der Nähe des Äquators befand. Eine Gruppe internationaler Wissenschaftlern unter der Leitung von Massimo Bernardi, seines Zeichens renommierter Forscher auf dem Gebiet der Massenaussterben der Vergangenheit im MUSE in Trient, hat vor kurzem einen wichtigen Artikel in der Fachzeitschrift „Earth Science Review“ veröffentlicht, in dem die Ergebnisse einer Studie dargestellt werden, die in der Bletterbachschlucht durchgeführt wurde. Die Bletterbachschlucht ist eines von neun Teilgebieten des Dolomiten UNESCO Welterbes und beherbergt eine einzigartige Fülle geologischer und paläontologischer Informationen.

Die Studie unterstreicht die Bedeutung der Bletterbachschlucht für die Untersuchung der Artenvielfalt in den Äquatorgebieten während des Perms und vor allem in dessen letztem Abschnitt, dem Lopingium (260-251 Millionen Jahre vor unserer Zeit). Es handelt sich um einen erdgeschichtlichen Abschnitt von großer Bedeutung, auf den das größte Massensterben der Erdgeschichte, das Perm-Trias-Ereignis, folgte. Das internationale Forscherteam verglich die fossile Artenvielfalt in der Bletterbachschlucht mit der Artenvielfalt in äquatorferneren und somit weniger artenreichen Gebieten. Die heutigen Alpen waren im Perm eine zentrale Region des großen Kontinents Pangea und zeichneten sich durch ein zunehmend warmes Klima aus. Das Gebiet wies eine außerordentliche Vielfalt an Tieren und Pflanzen auf; hier lebten Tiergruppen, die überall anders schon ausgestorben waren und neu entstandene Tiergruppen wie die Archosaurier; heute findet man in der Bletterbachschlucht eine unglaubliche Vielfalt an Fossilien, und nicht nur das. Inwiefern sind die Erkenntnisse über die Artenvielfalt im Perm auch für die Gegenwart von Bedeutung? „In den Augen vieler Menschen sind Paläontologen Leute, die sich mit alten Dingen aus tiefster Vergangenheit beschäftigen. In Wirklichkeit kann uns ein Blick zurück in die Vergangenheit wichtige Erkenntnisse über die Gegenwart liefern. Vor 250 Millionen Jahren begann eine globale Klimaerwärmung, mit der eine Versauerung der Ozeane, eine hohe Aussterberate und weltweite Migrationen einhergingen … nicht anders als heute! Das Studium des Archivs der Erdgeschichte ermöglicht uns nicht nur einen Blick auf unsere erdgeschichtliche Vergangenheit, sondern hilft uns auch, die Folgen des anthropogenen Klimawandels abzuschätzen, die in den Dolomiten wie in einem offenen Buch dargelegt werden“, unterstreicht der Leiter des Forschungsteams Massimo Bernardi.