„Die Dolomiten am Scheideweg: die Schweiz als Vorbild“ von Annibale Salsa

„Die Dolomiten am Scheideweg: die Schweiz als Vorbild“
von Annibale Salsa

Mit dem Näherkommen der Olympischen Winterspiele Mailand-Cortina 2026 konzentrieren sich Öffentlichkeit und Umweltschützer zunehmend auf die mit der Wahrung des Welterbes der Bleichen Berge verbundenen Probleme.

Neue Pläne zum Ausbau der Skigebiete werden vorgestellt. Und pünktlich mit ihrer Präsentation werden alte Konflikte neu entfacht. Auf der einen Seite stehen jene, die jegliche Erweiterung und Verbesserung der Infrastrukturen verhindern möchten. Auf der anderen Seite sehen diejenigen, die in den Bergen und von ihnen leben, in den Einschränkungen durch externe Autoritäten einen Eingriff in ihre Gebiete. Es gilt nun eingangs festzuhalten, dass die Eintragung in die Welterbeliste unter der Bedingung erfolgte, dass keine neuen Skiverbindungen gebaut werden.

Aber wem gehören denn eigentlich die Dolomiten?

Die Frage stellt sich immer wieder, wenn das Problem der Beziehung zwischen lokal und überlokal auftritt. Wenn ein bestimmtes Erbe, das von unseren Väter und Großvätern hinterlassen wurde, der gesamten Menschheit gehört, besteht kein Zweifel daran, dass hier der gebietsübergreifende Standpunkt seine unbestreitbare Legitimität hat. Andererseits, wenn es um Gebiete geht, die seit Jahrhunderten von Generationen bewohnt und geprägt wurden, die tiefe Spuren in der von Menschen geschaffenen „Kulturlandschaft“ hinterlassen haben, muss die Stimme derjenigen, die in diesen Gebieten leben, gehört und gebührend berücksichtigt werden. Die Landschaft ist ein dynamisches Element, dessen Schutz die Bewohner nicht, gemäß einer Logik der räumlich-zeitlichen Unveränderlichkeit, zu einem Leben in einem Glashaus oder in einer Art von „Indianerreservat“ zwingen kann. Wären die Dolomiten unbewohnte oder unberührte Wildgebiete, so würde sich das Problem nicht stellen. Doch neben den Gipfeln, die von der UNESCO als schützenswertes Naturerbe anerkannt wurden, gibt es das Gebiet darunter und dazwischen, das seit Jahrtausenden durch die menschliche Präsenz geprägt ist. Was tun, also? Abgesehen von bestimmten vorgefassten Positionen, für die es sich nicht lohnt, Zeit in unnützen Diskussionen zu verschwenden, weil jeder letztlich doch an seinen Anschauungen festhält, raten die Vernunft, der gesunde Menschenverstand und die Objektivität dazu, eine gemeinsame Grundlage für einen konstruktiven Vergleich zu finden, bei dem die gegenseitigen Ansichten respektiert und zur Zufriedenheit aller in die möglichen Lösungen eingearbeitet werden. Ein verhandelbares Thema ist sicherlich das Konzept der möglichen „Grenzen“. Auf ihrer Grundlage müssen die Folgen bewertet werden, die sich bei ihrer Verletzung in Form von „Bumerang-Effekten“ auf die Qualität der Umwelt und der Landschaft ergeben. Jene Gebiete der Dolomiten, die am wenigsten von den Vorteilen des Wintertourismus profitiert haben (vor allem Cadore und Comelico), in denen, wie der Schriftsteller und Alpinist Mauro Corona behauptet, „der Schnee nicht ausgeschildert ist“, sind Zeugen für eine bis heute anhaltende Abwanderung der Einwohner und einen entsprechenden Siedlungsverlust.

Hier hat auch die nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgte Gebirgspolitik bei weitem nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Die Hochgebirgsregionen wurden vergessen und an den Rand der Lebensfähigkeit gedrängt. Wir sprechen bei unseren Überlegungen oft zu allgemein von der Provinz Belluno und vergessen dabei, dass Cortina d’Ampezzo eine ganz andere Geschichte hinter sich hat und erst im Jahr 1923 zu dieser Provinz von Venetien annektiert wurde, ebenso wie Livinallongo (Fodom/Buchenstein), mit Arabba und Colle Santa Lucia (La Col). Ein weiterer hervorzuhebender Aspekt ist die Tatsache, dass im Hinblick auf die „hochheiligen“ Mobilitätseinschränkungen (vor allem die Passierbarkeit der Pässe im Sommer) angenommen wird, dass diese Maßnahmen das Ansehen von Orten mit hoher touristischer Attraktivität beeinträchtigen könnten.

Warum versuchen wir aber nicht einmal, über unsere Nasenspitze hinauszuschauen in ein Land, das für den alpinen Tourismus, als erstes Land in Europa und der Welt, ein Erfolgsmodell gefunden hat?

Viele wissen sicherlich, dass der Alpentourismus in der Schweiz entstanden ist, und speziell der Wintertourismus in Sankt Moritz im Engadin, als die Brüder Badrutt, ihres Zeichens Hoteliers, im Jahr 1864 die Engländer einluden, im schneebedeckten Graubündner Ort zu überwintern. Dieser anfangs provokante scheinende Vorschlag war ein voller Erfolg, und schon bald waren die Alpen nicht mehr nur als Sommerresort beliebt und geschätzt, sondern auch im Winter zum Skifahren. In einem beeindruckenden Wachstum entstanden in rascher Folge die ersten Verbindungswege und Infrastrukturen zwischen den Touristenorten. Es ist die Zeit, in der die ersten kühnen Zahnrad-Bergbahnen gebaut werden, die beeindruckende Höhenunterschiede überwinden (man denke zum Beispiel an die Eisenbahn auf den Pilatus, oberhalb von Luzern, mit einer Steigung von 48 Prozent!). Im Laufe der Jahre und mit der Zunahme der privaten Motorisierung werden Straßen und Autos zu einer immer unbeliebteren Begleiterscheinung in den Alpentälern. Doch wieder blicken die Schweizer mit Weitblick in die Zukunft und schaffen ein neues Modell von Ferienorten, in denen Autos verboten sind, dafür aber das soziale Prestige, die Qualität der Umwelt und die Landschaft exponentiell aufgewertet werden.

Verbot und Bindung werden somit zu einer neuen Chance! Wir sprechen von insgesamt acht so genannten „auto free/senz’auto/ohne auto/sans auto“-Ortschaften: Zermatt, Saas Fee, Bettmeralp, Riederalp, Murren, Wengen, Stoos, Braunwald, die Teil einer authentischen Transportstrategie sind. In den italienischen Alpen gibt es, völlig zufällig, Chamois im Aostatal als einzige Ortschaft, die nur von einer Seilbahn ab Buisson (mittleres Valtournenche) bedient wird. Der Bau der neuen Infrastrukturen muss sich harmonisch in den Schweizer Landschaftskontext einfügen und die Skigebiete mit ihren Anlagenkarussellen werden die Umwelt und Landschaft in keiner Weise beeinträchtigen, sondern sich – im Gegenteil – wirtschaftlich positiv auf die Gebiete auswirken.

Was die Welterbestätten betrifft, möchte ich auf das „Aletsch-Bietschhorn-System mit dem größten alpinen Gletscher hinweisen, der von der UNESCO als einzigartig anerkannt wurde. In diesem Gebiet, zwischen dem Kanton Bern und dem Wallis, gibt es zwei autofreie Orte (Bettmeralp und Riederalp) mit Skipisten und Liftanlagen, an denen jeglicher Lärm verpönt ist und die alpine Stille oberste Priorität hat.

Die Moral, die wir aus dem Schweizer Modell – in dem der Berg gelebt und bei weitem nicht entvölkert wird – ableiten müssen, ist, dass das Problem des Umweltschutzes kein Problem der dualistischen Gegenüberstellung einer „bejahenden Kultur“ zu jedem Eingriff des reinen Konsums und einer alles „verneinenden Kultur“ ist, die jede Tätigkeit verbietet. Es ist vielmehr notwendig, eine „Kultur des Wie“ zu erwerben, die, obwohl sie manches Nein bezüglich Gebieten mit einem hohen naturalistischen Wert ausspricht, doch rein aprioristische und ideologische Stellungnahmen vermeidet.

Warum also sollten nicht auch wir einige Dolomitenorte in „autofreien“ Zonen verwandeln, in denen Autos verboten sind und die Zugangsinfrastrukturen (auf Schienen) oder Aufstiegsanlagen (Seilbahnen) auf die gleiche Weise gemäß einer integrierten Verkehrslogik gestaltet werden wie die Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs? Die Schweiz ist ein Vorbild, dass diese Orte durch einen hohen Qualitätsstandard, vereint mit einer hohen Touristenattraktion, überzeugen zeugen (Zermatt lehrt). Es versteht sich von selbst, dass dies durch eine einheitliche integrierte Strategie umgesetzt werden müsste, die allen Dolomitengebieten gemeinsam ist und die von den verschiedenen zuständigen Landes- und Regionalinstitutionen koordiniert wird.

Ph. @rocketheo – flickr