Die Verfassung bezieht die Umwelt mit ein

Die endgültige Verabschiedung der Verfassungsreform zum Umweltschutz am 8. Februar in der Abgeordnetenkammer mit 468 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme und 6 Enthaltungen wurde als historischer Wendepunkt gefeiert, ohne dass die Medien darüber berichtet hätten. Dabei hat sie in der Tat die verfassungsrechtliche Erfassung dessen, was bis zum Vortag eine einfache Verwaltungsangelegenheit war, radikal verändert und zu einem zu schützenden Wert gemacht. Ein sicherer und rechtlich gut ausgestatteter Hafen auch für diejenigen, die sich tagtäglich für den Schutz des Welterbes einsetzen, wie die Stiftung Dolomiten UNESCO, ihre institutionellen Mitglieder und alle, die ihr Engagement teilen. „Dies ist ein historischer Schritt für unser Land und seine Gebiete“, kommentierte der Präsident der Stiftung Dolomiten UNESCO Mario Tonina. „Eine Entscheidung, die über das gesamte politische Spektrum hinweg getroffen wurde und die unser Land in eine neue Ära führt, in der wir eine nachhaltige Zukunft nicht nur ersinnen, sondern aufbauen und konsolidieren können.

Der neue Artikel 9:
eine neue Sichtweise der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt

So lautet der neue Artikel 9 der italienischen Verfassung (der hinzugefügte Absatz erscheint in Kursivschrift):

„Die Republik fördert die Entwicklung der Kultur und die wissenschaftliche und technische Forschung. Sie schützt die Landschaft sowie das historische und künstlerische Erbe des Landes. Sie schützt die Umwelt, die biologische Vielfalt und die Ökosysteme, auch im Interesse der künftigen Generationen. Das staatliche Recht regelt die Mittel und Wege des Tierschutzes.“

Der neue Absatz füllt eine verfassungsrechtliche Lücke, nämlich das Fehlen einer Unterscheidung zwischen Landschaft und Umwelt, zwischen der perspektivischen und anthropozentrischen Bedeutung der ersteren und dem unabhängigen und universellen Wert der letzteren. Die Reform legt fest, dass die Aufgabe der Republik, die biologische Vielfalt und die Ökosysteme zu schützen, in programmatischer Weise zu erfüllen ist, indem sie eine genaue Richtung vorgibt: das Interesse der künftigen Generationen, das in allen anderen Artikeln der Grundlegenden Rechtssätze implizit enthalten ist, nun aber in Bezug auf die Umwelt explizit zum Ausdruck kommt, auf der sich viele der entscheidenden Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte für das Land und die Menschheit insgesamt abspielen werden.

Die Beziehung zum Menschen bleibt also zentral, aber im Sinne einer aktiven Obhut, nicht mehr nur als geregelte Nutznießung.  Vor der Reform tauchte das Wort „Umwelt“ nur in Artikel 117 auf, und zwar in der Auflistung der Sachgebiete, für die der Staat die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis besitzt. Die Aufnahme in die Grundlegenden Rechtssätze verleiht dem Thema also nicht nur Würde, sondern macht es auch zu einem zu schützenden Wert: Unter diesem Gesichtspunkt müssen sich die Maßnahmen des Staates, der Gebietskörperschaften und der einzelnen Bürger ebenfalls in Richtung Schutz bewegen oder zumindest diesen unauslöschlichen Horizont berücksichtigen.

Der neue Artikel 41:

So lautet der neue Artikel 41 (Änderungen in Kursivschrift):

„Die Privatinitiative in der Wirtschaft ist frei. Sie darf sich aber nicht im Gegensatz zum Nutzen der Allgemeinheit betätigen oder in einer Weise, die die Gesundheit, Umwelt, Sicherheit, Freiheit und menschliche Würde beeinträchtigt. Das Gesetz bestimmt die Wirtschaftspläne und die zweckmäßige Überwachung, damit die öffentliche und private Wirtschaftstätigkeit nach dem Allgemeinwohl und dem Wohl der Umwelt ausgerichtet und abgestimmt werden können.“

Die Neuerung besteht also in der Festlegung zwei zusätzlicher Grenzen für die freie Ausübung der Privatinitiative in der Wirtschaft, die stets unterhalb der Schwelle liegen müssen, bei deren Überschreitung Schäden für die Gesundheit und die Umwelt sowie für die Sicherheit, die Freiheit und die menschliche Würde verursacht werden. Wo dieser Schwellenwert anzusetzen ist, wird natürlich von Fall zu Fall durch den Gesetzgeber oder das Verfassungsgericht festgelegt, aber mit einer expliziten Erfassung, die zur Gleichwertigkeit aller angegebenen Werte führen sollte.

Ph. Alessandra Masi