“Eine Lärche bringt Hoffung…”

Walter De Cassan ist der Präsident des Hotelierverbandes der Provinz Belluno Federalberghi Belluno. Seit des Unwetters sind nun einige Tage vergangen: Was sehen Sie vom Fenster Ihres Hotels in Cernadoi di Livinallongo am Col di Lana (Belluno)?

„Tausende von umgestürzten Bäumen, eine völlig veränderte Landschaft, aber auch eine wunderschöne Lärche, die das Unwetter von 1966 überlebt hat. Ich war damals vier Jahre alt und erinnere mich daran, dass der Baum nach dem Unwetter komplett gekrümmt war und nur noch auf einer Seite Äste herausstanden. Mit der Zeit richtete sich der Baum wieder auf, die Äste wuchsen nach, und auch dieses Mal hat der Baum das Unwetter überlebt.“

Dem Baum geht es also wie den Menschen in den Dolomiten. Gebeugt und vom Schicksal getroffen, beweinen sie auch ihre Toten. Gebeugt, aber nicht gebrochen, und bereit, wieder von neuem anzufangen.

„Die Angst war groß … Wenn Sie einmal gesehen haben, wie Steine vom Wind getrieben​ ​bergaufwärts rollen und auch das Wasser bergaufwärts fließt, anstatt über die Straße talwärts zu fließen, haben Sie danach vor nichts mehr Angst.“

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Was wird die nächste Wintersaison bringen?

„Wenn bis dahin die Stromleitungen wieder instand gesetzt werden, um die künstliche Beschneiung zu ermöglichen, mache ich mir nicht allzu viele Sorgen, im Gegensatz zur Sommersaison: hunderte Kilometer Wanderwege sind zurzeit unpassierbar, aber trotzdem lassen wir uns nicht entmutigen. Wir sollten optimistisch sein: auch die Region richtet sich mit einer wichtigen Botschaft an alle. Natürlich füllt Optimismus zwar nicht den Magen, hilft aber, besser zu leben!“

„Die Umweltkatastrophe“, betont De Cassan,“hat uns natürlich auch einen Imageschaden beschert, der zwar nicht auf uns zurückzuführen ist, aber die Dolomiten und unsere Täler dennoch hart trifft. Die Sanierung der Landschaft ist von grundlegender Bedeutung und sollte von jenen Hängen ausgehen, die am ehesten von Lawinenabgängen betroffen sind. Im Übrigen würde ich mit sehr viel Vorsicht vorangehen: Der Wald könnte sich von selbst erneuern, und deshalb sollten wir eine umsichtige Strategie verfolgen, um keine wichtigen Ressourcen zu verschwenden. „

Wird der Tourismus wieder aufleben?

„Davon bin ich überzeugt. Die Solidarität unter den Unternehmern ist groß, der Hotelierverband Federalberghi und die Kaufleutevereinigung Confcommercio haben großzügige Hilfestellungen geleistet. In der Zeit nach dem Unwetter blieben unsere Betriebe geschlossen, da wir uns alle am Wiederaufbau beteiligten. Leider fanden sich auch Anhänger des Katastrophentourismus ein: am Sonntag, dem 4. November, war unser Haus voller Touristen, die hier essen wollten. Ich stand mit Anorak und Schaufel in der Hand vor der Haustür … „

Abgesehen von diesen Episoden war die Solidarität in diesen Unglückstagen groß. Apropos Image: Das Image, das die Bevölkerung der Dolomiten in diesen Tagen vermittelte, war wirklich außergewöhnlich …

„Auf jeden Fall. Ich würde hinzufügen, dass wir uns auf beeindruckende Weise gegenseitig unterstützt haben. Unser Naturerbe ist zwar stark in die Mangel genommen worden, wird sich aber wieder erholen, unser Kulturerbe hat auf die beste Art und Weise auf diese starke Belastung reagiert.“