„Für die Bewirtschaftung einer Schutzhütte braucht es ein Weitwinkelobjektiv“

Die Schutzhüttenbetreiber denken weiter darüber nach, wie sie ihre Aufgabe, die sich von Jahr zu Jahr zu wandeln scheint, am besten erfüllen können. Der jüngste Impuls dazu kommt von der Grigna-Gruppe in der Provinz Lecco, wo gerade die Frist für die Anmeldung zur ersten „Capanat Academy“ abgelaufen ist, ein Kurs zur Ausbildung von Hüttenhelfern und -helferinnen, der von den Betreibern der Hütten Rosalba und Brioschi gefördert wird. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, uns auch hier in den Dolomiten Gedanken über die Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen zu machen, die erforderlich sind, um einen Standort in großen Höhen zu bewirtschaften bzw. die Saison über hier zu arbeiten.

Flexibel, nicht improvisiert

Mario Fiorentini ist Präsident des Verbandes der Schutzhüttenbetreiber der Region Venetien AGRAV und leitet das Rifugio Città di Fiume, eine der 66 Schutzhütten im Kerngebiet der Dolomiten UNESCO, die zu einem gemeinsamen Netzwerk gehören. Eines der Ziele der Kommunikationskampagne, die sie zusammen mit der Stiftung Dolomiten UNESCO vorbereiten, ist es, ein korrektes Bild von der Komplexität und der Verantwortung zu vermitteln, die auf der Rolle des Betreibers lasten.

Zeigt die Initiative auf der Grigna-Gruppe, dass man nicht einfach spontan Hüttenbetreiber oder Hüttenhelfer werden kann?

„In der Lombardei wird der Ausbildung große Bedeutung beigemessen: In den letzten Jahren wurden von der Region zwei Kurse für Schutzhüttenbetreiber eingerichtet, und jetzt ist die auf der Grigna-Gruppe geförderte Academy für Hüttenhelfern und -helferinnen hinzugekommen. Das ist ein wichtiges Zeichen, denn es zeigt, dass die kritischen Stellen endlich ans Tageslicht kommen: Auch in den Dolomiten sehen wir die Notwendigkeit der ständigen Weiterbildung für die Akteure, damit sie ihre Fähigkeiten, die zur Ausübung dieser Rolle erforderlich sind, ständig verbessern können.“

Neben den Kenntnissen bezüglich der geltenden Vorschriften, der Sicherheit im Gebirge, der geologischen und landschaftlichen Gegebenheiten, der Lebensmittelsicherheit und des Küchenmanagements müssen Hüttenbetreiber oft auch als Klempner, Schreiner, Elektriker usw. improvisieren.

„Wenn man eine Hütte betreibt, die vier Stunden Fußmarsch vom Talboden entfernt ist, muss man sich natürlich arrangieren können. Das wahre Können liegt jedoch in der Fähigkeit, Krisensituationen und unvorhergesehene Ereignisse zu bewältigen, und nicht unbedingt darin, ein Problem direkt aus technischer Sicht zu lösen. Es geht nicht darum, alles zu wissen und alles zu können, sondern darum, die Übergangsphase zwischen dem Auftreten des Problems und seiner endgültigen Behebung zu meistern. Deshalb spielt wie in allen Berufen neben der Ausbildung auch die Erfahrung eine wichtige Rolle: Die Schule, die Aus- und Weiterbildungskurse, können einem die Schlüssel an die Hand geben; zu erlernen, wie man sie benutzt, erfordert jedoch Übung.“

Die wahre Kompetenz ist der richtige „Blick“

Auf welche zwischenmenschlichen Kompetenzen kommt es im Umgang mit Mitarbeitenden und einer immer anspruchsvolleren Kundschaft an?

„Es gibt keinen Leitfaden für zwischenmenschliche Beziehungen; man muss seine Karten gut kennen und sie zum richtigen Zeitpunkt und auf die richtige Weise ausspielen – je nach den Fähigkeiten oder Anforderungen des Gegenübers. Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels erklären: Diejenigen, die zum ersten Mal in einer Schutzhütte arbeiten, erledigen ihre Aufgaben oft mit Sorgfalt und Präzision; man muss ihnen allerdings beibringen, die Augen offen zu halten, wenn sich die Prioritäten plötzlich ändern und nicht mehr die Reaktion des Einzelnen, sondern des gesamten Teams erfordern.“

Kurzum, die eigentliche spezifische Kompetenz des Hüttenbetreibers und seiner Helfer ist der richtige „Blick“ für die Situation …

„Ein Blick durch das Weitwinkelobjektiv würde ich sagen. Es ist wie beim Segeln: Man ist immer mit denselben Leuten zusammen und alle müssen ihre Aufgaben gleichzeitig, in Abhängigkeit und im Dienst der Arbeit der anderen erledigen.“

Ein Kommentar zum Wetter

Sprechen wir nun über die kommende Saison: Der gefallene Schnee reicht wohl nicht aus, um die Wasserautarkie in diesem Sommer zu verlängern …

„Es wird hart werden. Die Mengen sind zu gering, und selbst wenn es im März oder April noch einmal stark schneit, wird der Schnee an den ersten warmen Tagen schnell schmelzen, ohne das Grundwasser zu speisen.“

Ph. Rifugio Città di Fiume