Marmolada: neue Worte für die Zukunft

Die Trauer um die elf Menschen, die am 3. Juli auf der Marmolada ihr Leben verloren haben, wechselte sich in den letzten Wochen mit Debatten über die Ursachen und Folgen der Katastrophe ab. Wenngleich diese einerseits das Ergebnis eines realen Bedürfnisses nach einer Einordnung der Geschehnisse sind, war jedoch der Gesamteffekt ein Medienrummel, der deutlich macht, dass die richtigen Worte gefunden werden müssen, um die Zukunft der Berge im Lichte der Klimakrise zu lesen. Auch zu diesem Zweck fand zwei Wochen nach dem Ereignis eine Wanderung zur Falier-Hütte unterhalb der Marmolada-Südwand statt, die bereits im Rahmen der „Incontri d’Alt(r)a Quota“ (Begegnungen in großer Höhe) geplant war und vom Schriftsteller Matteo Righetto begleitet wurde, der in seinen Romanen stets den belebten, den bewohnten und den gehörten Berg in den Mittelpunkt stellt.

Eine mehrstimmige Erzählung

Die Stiftung Dolomiten UNESCO hat versucht, ein möglichst genaues Bild zu zeichnen, das die Reaktionen der lokalen Gemeinschaften auf die Geschehnisse widerspiegelt, und zwar anhand der Stimmen, die in der Sendung „Noi Dolomiti UNESCO“ gesammelt wurden, die am Tag des Ereignisses sowie an den Tagen, die von der dramatischen Suche nach den Opfern geprägt waren, ausgestrahlt wurde. Wir haben Retter, Institutionen und natürlich Experten wie den Glaziologen Jacopo Gabrieli zu Wort kommen lassen, die zum einen die Unvorhersehbarkeit der Ablösung betonten und zum anderen auf die Notwendigkeit hinwiesen, über eine umfassendere Verantwortung nachzudenken, die alle in die Bemühungen um eine Abschwächung der Klimakrise einbezieht – durch Beenden der CO2-Produktion und Begrenzen des Anstiegs der Temperaturen, die insbesondere in den Monaten vor der Tragödie bis zu fünf Grad über dem Durchschnitt lagen. Es handelt sich also um eine globale Verantwortung, aber auch um ein lokales Engagement, wie es der Pfarrer von Canazei, Don Mario Bravin, beschreibt, der sich als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr an den Hilfsmaßnahmen beteiligte: „Wir rufen alle auf, zusammenzuarbeiten, um den Prozess des Klimawandels nicht zu beschleunigen. Wir Bewohner der Berge wissen nur zu gut, dass sie manchmal weh tun können, und dieses Bewusstsein tragen wir in unseren Herzen. Und doch lieben wir das Gebirge.“

Marmolada, in primo piano il Crollo del seracco avvenuto il 3 luglio 2022

Ph. Riccardo Masut 

Im Angesicht der Marmolada,
um die richtigen Worte zu finden

„Wir dürfen nicht aufhören, in den Bergen zu wandern. Wir sind Teil dieser Landschaft, und, wie Mario Rigoni Stern sagte, haben wir nur dann einen Sinn, wenn wir uns zu ihren Hütern machen. Die traurigen Ereignisse vor einigen Tagen dürfen uns nicht vergessen lassen, dass diese Orte ihren eigenen Fluss des Lebens haben, der aufgrund der Klimakrise nach und nach an Kraft verliert – ein trauriger, permanenter Zustand, der nach gemeinsamer Verantwortung ruft. Das sind die Worte, die der Schriftsteller Matteo Righetto gefunden hat, der zum zweiten Mal Protagonist jener literarischen Wanderung war, die von der Stiftung Dolomiten UNESCO im Rahmen der Veranstaltung „Incontri d’Alt(r)a Quota“ organisiert wurde.

In diesem Jahr war die Veranstaltung entlang des Weges zur Falier-Hütte unterhalb der Silberwand der Marmolada vorgesehen und fand dort planmäßig am Samstag, den 16. Juli, statt, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, auf partizipative Weise über die Geschehnisse des 3. Juli nachdenken und unsere Lebens- und Bewohnungsweise in den Bergen angesichts der Klimakrise zu reflektieren.

„Worte sind wichtig“

Der richtige Gebrauch der Worte ist auch für Mara Nemela, Direktorin der Stiftung Dolomiten UNESCO, grundlegend. Sie erklärt, es gehe um „Worte, die eigentlich gar nicht neu sind, die es uns aber ermöglichen, unser Verhältnis zu jenem Umweltgut zu verändern das wir zu schützen haben. So können wir zum Beispiel ‚Klimakrise‘ statt ‚Klimawandel‘ sagen; wir können die Unvorhersehbarkeit von einmaligen Ereignissen wie dem vom 3. Juli betonen, ohne die Vorhersehbarkeit der Tatsache zu leugnen, dass wir zunehmend mit extremen Ereignissen konfrontiert sein werden. Wir können in den Bergen von ‚Vorsicht‘ statt von ‚Sicherheit‘ sprechen – ein Begriff, der ein Nullrisiko zu implizieren scheint, das schlicht nicht existiert. Wir können das Wort ‚Tourist‘ durch ‚Wanderer‘ ersetzen, um die Freude an den Bergen nicht auf ein beliebiges Freizeitvergnügen zu reduzieren. Wir können die Berge ganz allgemein als eine Umgebung betrachten, die es zu erfahren, zu kennen, zu hinterfragen und zu respektieren gilt. Hinter dieser bewussten Wortwahl verbirgt sich die Verantwortung, die wir auf politischer, administrativer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene teilen müssen, angefangen bei den lokalen Gemeinschaften.“

„Dem Berg zuhören“

Das Thema der Beziehung zwischen dem Globalen und dem Lokalen, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, um die Klimakrise einzudämmen, stand im Mittelpunkt der Überlegungen, die Matteo Righetto auf der von den Wanderführern Laura Olivotto und Tommaso Zamarchi geleiteten Wanderung anstellte. Der Autor von „La stanza delle mele“ betonte, wie wichtig es ist, auf die Umwelt zu hören, um jenen „genius loci“, jene schöpferische Fähigkeit, die die Geografien der Orte zum Ausdruck bringen können, zu erfassen – umso mehr, wenn sie so zerbrechlich und erhaben sind wie die Dolomitensysteme.

Das Hören auf die Botschaft der Natur fordert letztlich wieder die Verantwortung des Menschen, die von den rund 40 Teilnehmenden im Valle Ombretta, dem geografischen Zentrum des Welterbes Dolomiten, symbolisch bekräftigt wurde.

Es war unmöglich, den Beitrag derjenigen nicht einzubeziehen, die wie die Hüttenwirte an vorderster Front stehen, und zwar sowohl im Hinblick auf den bewussten Aufenthalt in den Bergen (der von der Stiftung Dolomiten UNESCO auch durch die Kampagne #hüttenleben gefördert wird) als auch im Hinblick auf den Schutz der Umwelt in den Dolomiten, für die sie die ersten Wächter sind: „Die Ereignisse vom 3. Juli sind nicht nur auf die Hitze im Juni zurückzuführen. Es ist die Hitze der letzten zwanzig Jahre“, sagt Dante Del Bon, der Betreiber der Falier-Hütte. Seine Familie kam bereits 1953 ins Ombretta-Tal, und so konnte er während der jahrzehntelangen Bewirtschaftung der Hütte die Veränderungen, die sich hier vollzogen haben, mit eigenen Augen beobachten: „Ich freue mich, dass Sie unsere Hütte ausgewählt haben, die sich im geografischen Zentrum eines Welterbes befindet, dessen Hüter wir sind.

Die nächsten Termine

Das zweite Treffen der „Incontri d’Alt(r)a Quota“ findet am 27. August in den Brenta-Dolomiten, in der Agostini-Hütte statt, dem Zielpunkt des Geotrekkings, das in Zusammenarbeit mit den Geologen des MUSE in Trient und dem Naturpark Adamello-Brenta – UNESCO-Geopark organisiert wird. Am 17. und 18. September schließlich findet in der Tierser-Alpl-Hütte – Schlern/Rosengarten ein Fotoworkshop unter der Leitung von Moreno Geremetta statt. Für Informationen und Anmeldungen wenden Sie sich per E-Mail an press@dolomitiunesco.info.