Sagen der Dolomiten: Aurona – L paesc dl or y dla lumes, herausgegeben vom Istitut Ladin Micurá de Rü

 

Sagen der Dolomiten

 

Mit Unterstützung des Istitut Ladin Micurá de Rü

stellen wir Ihnen heute die fünfte Sage vor:

“Aurona – L paesc dl or y dla lumes“


Diese Sage spielt im Herzen der Dolomiten, im Reich der Bleichen Berge mit seinen weißen und rötlichen Felskämmen, unter den schwarzen Vulkanspitzen des Padòn, die sich gegenüber den Schneefeldern der Marmolata in den Himmel erstrecken. Es ist eine Geschichte über Bergstollen und geheimnisumwitterte Lagerstätten immenser Schätze, zu denen man nur mit Hilfe eines Zaubers gelangen kann. Die Sage von Aurona wird uns heute vom Istitut Ladin Micurá de Rü vorgestellt, das sich die Erhaltung und Förderung der Sprachtraditionen und des kulturellen Erbes der lokalen ladinischen Bevölkerung zur Aufgabe gemacht hat. Das Istitut Ladin Micurá de Rü hat jeweils eine Niederlassung in St. Martin in Thurn im Gadertal und in Wolkenstein in Gröden.

Das Istitut Cultural Ladin “Majon di Fascegn” ist eine kulturelle Einrichtung zur Unterstützung der ladinischen Bevölkerung. Es ist eine Körperschaft der Autonomen Provinz Trient und wurde 1975 gegründet. Sitz ist San Giovanni in der Gemeinde Vigo di Fassa. Das Istitut Cultural Ladin “Majon di Fascegn” hat zahlreiche Aufgaben, unter anderem das Sammeln, Ordnen und die Untersuchung von Materialien zur Geschichte, der Wirtschaft, der Sprache, der Folklore, der Mythologie und der Bräuche und Traditionen der Ladiner. Im Juli 2001 wurde der neue Sitz des Ladinischen Museums des Fassatals eröffnet, in dem die ethnografischen Sammlungen des Ladinischen Kulturinstituts ausgestellt werden. Von hier aus gelangt man zu mehreren anderen thematischen Museen (Museo sul territorio).

Ladin

Aurona – L paesc dl or y dla lumes  (traduzione Leander Moroder)

Nscì dijoven de Aurona, dl rëni sota tiera dl sëurora: l paesc dl or y dla lumes. Grant assé o monce deplù per merité l inuem de paesc. N paesc ulache l or y la lumes, che l scicova sciche n tabernacul, ova la sëuravënta. Lumes de valor che, dal’autra pert, ne fajova dutes deberieda nia na drëta lum, ma n cër linëus sëura dlonch tl chëul dl crëp. Sciche l gran uet che la scundova, ie la ciadëina de crëps dl Padon, ulache nasc l ruf che à l medem inuem de Aurona, scura sciche l vënter de n fëur, semienta a mudli de resć dlongia na gran giaveda. La richëzes ne univa iló a lum nia mé per n urt, ma tres l lëur dur di abitanc y fova l frut de na marciadeda danter l rë y l Infiern. Aldo dla marciadeda, ne fosseles mei finedes, pur che l popul restëssa per for sota tiera. Per stlù l’ ntreda oven murà su na porta duta d’or.

Povester fova chël rëni n dut un cun l Delà o fova n ducat mpurtant de chësc, ulache mé l reniant savova velch dl mond dedora, de si lum che stlaiova ino y de coche l fossa, ala fin dla finedes, ch’l se baraté ju danter di y nuet, de vita y mort a seguré si richëza, ch’l deplù zënza fin. Perdrët ne luna l or nia, ma l lascia ora n linëus lesier che dura, nsci che ch’i ëi y ch’la ëiles cialova ora per duta si vita sciche larves. Vëira iel che deguni, ora dl rë de Aurona, ne n’ova mei udù la lum dl surëdl. Pona, n di, fatalità drëta de uni cunteda, fovel tumà ju na lampa y l se ova giaurì n busc tl revëut, delibran n rai taient de lum, tan linëus da giaté ueia de se blandé laite.

La ciavernes de Aurona fova spartides dal rest dl mond mé da n parëi sutil. Un di vedli gevadëures fova jit de viers de chël uedl adurbënt y l ova tlecà na scela longia per cialé delà dla funtana de linëus.

Dut l ova tucà, la formes, i culëures y la lum termënta, de gra a chëla che l gran spetacul suzedova. Canche l ova trat zeruch l cë, ovel scumencià a splighé, a cialé de cunfrunté. Tla marueia de duc, i uedli mplenii dla cosses ududes, ne se ovel sul mumënt nia ntendù de vester deventà vierc. La sfënta fova debota unida stluta. Purempò, nce zënza les nunzië, ova la paroles dl vedl giaurì na streda tl cuer di abitanc de Aurona, dantaldut te chël dla prinzëssa Somavida.

L trangujamënt che la piova, n sentimënt mei pruà dant, dajova do mé sce la stajova dlongia la porta stluta dl rëni. Iló, muciovel ca n rundenì de chël vel’ de auter forest y da nchersciadum. L ti univa dant de audì sonns, datrai n bieberné o vel’ ujes nsëuralauter. Y povester ovela, ëila nstëssa, purvà de suserné velch oravier. N ne sà nia avisa a ce maniera che Odolghes, l rë de Contrin, fova unit al savëi de si susté do la porta y che l ova mpermetù de delibré la prinzëssa.

Per set dis ndolauter ovel tamarà si speda contra la porta y fova stat bon, ala fin, de storjer un di polesc y de la giaurì de tant, che do a Somavida, ie dut l popul de Aurona sbunfà tl mond, sen jan per for dal scur. Dal gran bater sula porta, se ova la piza dla speda dl rë mbalà d’or. Per na spana almanco, ova l or tëut l post dl fier, senian nia na njonta, ma na fujion, n sëni de forza, n seniel.

La piza lunova tan da bestia ntan la batalia, che ala speda y a chiche la purtova fovel unì dat l inuem Sabia de Fech. Odolghes ova maridà Somavida, ma refudan si richëzes. L fova stat nce per chël che n ova lascià de pensé a Aurona, desmincian bel plan l post ulache fova la porta. Ala fin ova na smueia inò stlut l‘ ntreda.

L resta n valguna dumandes. Pra chi tucova pa Sabia de Fech, pra l rë saudé o pra l lecord de Aurona, pra si striunët? Y chi fova pa perdët si abitanc? Zënza desmincë Somavida, cun si inuem da preve che ne pudova nia mé ulëi dì danora na ulentá de mucé. Povester, a dubité da nuef, ne fova l rë de Aurona nia auter che Ade, pere de na richëza y de na tirania zënza lims. La marciadeda de tenì liedes strëntes l’anes di morc, propi per no trangujë de massa i vives, fova unì rota da n eroe che ti tol na fia y na nevicia al rë dl dessot. La ti garata, o almanco perel nscì, ajache l rest dla storia, nce sce la auza ora si valor, ne l selva nia, dut auter.

Deutsch

Aurona – Land des Goldes und des Lichtes (neu aufgelegt von Nicola Dal Falco)

Aurona, das unterirdische Reich des Überflusses, Land des Goldes und des Lichtes: so sprach man im Volksmund über Aurona, groß genug oder zu groß, um nur an einem Ort zu sein. Ein Land, geschmückt mit Gold und Lichtern wie ein Tabernakel, wertvolle Lichter, die jedoch den Berg nicht taghell ausleuchteten, sondern ein dämmriges Licht in das Innere des Berges warfen. Aurona befand sich im Inneren der Bergkette des Padòn; hier, aus dem dunklen Gestein des Padòn und inmitten gigantischer Schlackenfelder, die den Rändern einer riesigen Grube ähneln, entspringt ein Wildbach, der ebenfalls Aurona genannt wird. Der Reichtum des Berginneren war nicht leicht zugänglich, sondern konnte von den Bergbewohnern nur durch harte Arbeit abgebaut werden; ohne einen Pakt zwischen dem König und den Mächten der Unterwelt wären ihnen die Schätze der Aurona auf immer verwehrt geblieben. Nach dem Pakt sollten die Schätze der Aurona nie zur Neige gehen, solange das Volk im Berg verweilte. Ein schweres goldenes Tor verwehrte jedem den Ausgang ins Tageslicht. Vielleicht entsprach dieses Reich der Unterwelt oder einem wichtigen Teil davon, in dem nur der Herrscher von der Außenwelt wusste, in der sich Tag und Nacht, Leben und Tod abwechselten und so das Leben erst um all das bereicherten, was es schließlich lebenswert macht. Gold leuchtet nicht hell, sondern verbreitet nur einen matten Schimmer, und so fristeten auch die Männer und Frauen des Bergvolkes ein blasses Larvendasein, denn niemand außer dem König von Aurona hatte jemals das Licht der Sonne gesehen.
Dann, eines Tages, geschah etwas Unerwartetes: von der Decke fiel eine Lampe herab, und es öffnete sich ein kleines Loch, durch das ein Sonnenstrahl herabfiel, so hell, dass man drin baden konnte. Zwischen dem Inneren des Berges und der Außenwelt gab es nur eine dünne Gesteinsdecke. Ein alter Grubenarbeiter stieg auf eine Leiter und schaute durch die Öffnung. Was er sah, bewegte ihn mehr als alles Bisherige in seinem Leben, er bestaunte die Umrisse, die Farben und die riesige Lichtquelle, die alles in ein gleißendes Licht tauchte. Als er wieder die Leiter herabstieg, begann er zu erzählen, zu erklären und versuchte, Vergleiche anzustellen. Das eben Gesehene erfüllte ihn so sehr, dass er nicht sofort bemerkte, erblindet zu sein. So wurde die Lücke sofort wieder geschlossen. In den Bewohnern von Aurona blieb jedoch die Sehnsucht nach dem Licht zurück. Besonders Prinzessin Sommavida war wie nie zuvor von der Sehnsucht nach dem Licht erfüllt. Die Unruhe, die von ihr Besitz ergriffen hatte, legte sich nur, wenn sie neben dem schweren goldenen Tor zum Ausgang verweilen konnte. Hier saß sie und lauschte den Geräuschen, die von außen zu ihr drangen, wo man scheinbar Stimmen oder das Blöken eines Schafes hören konnte. Vielleicht versuchte auch sie, sich nach außen hin bemerkbar zu machen. Auf jeden Fall erfuhr Odòlghes, der König von Contrin, von der Prinzessin, die hinter dem goldenen Tor ihr Leid klagte, und beschloss, sie zu befreien. Sieben Tage lang hämmerte er mit seinem Schwert gegen das Tor, bis er eine der goldenen Platten verbiegen und das Tor weit genug öffnen konnte, damit Sommavida und hinter ihr das gesamte Volk von Aurona dem Berginneren für immer den Rücken kehren konnten.
Vom Einhauen auf das Tor war die Schwertspitze des Königs mit Gold überzogen, und zwar so weit, dass das Gold auf der Länge einer Spanne das Eisen ersetzt hatte, wodurch das Schwert des Königs nun zu einem Symbol seiner Kraft geworden war. Im Kampfgetümmel leuchtete die Spitze seines Schwertes so stark, dass das Schwert und sein Träger den Namen „Sàbja da Fek“ (Feuerschwert) erhielten. Odòlghes nahm Sommavida zur Frau, verzichtete aber auf ihre Reichtümer. Auch deshalb vergaß man bald, wo der Eingang zum Inneren des Berges gelegen hatte. Schließlich wurde der Eingang von einem Felssturz versperrt und ward nicht mehr gefunden.
Einige Fragen sind noch offen. Wem gehörte Sàbja da Fek, dem Kriegerkönig oder dem Gedenken an Aurona und seinem Fluch? Woher stammte das Volk von Aurona wirklich? Und Sommavida? Ist ihr Name nur ein Hinweis auf den Willen zur Flucht? Wer weiß, vielleicht ist der König von Aurona niemand anders als Hades, Schöpfer unermesslichen Reichtums und grenzenloser Tyrannei. Der Pakt, der dazu dienen sollte, die Seelen der Toten in der Unterwelt zu fesseln, um die Lebenden nicht zu sehr zu verängstigen, wurde von einem Helden gebrochen, der dem Herrn der Unterwelt eine Tochter und eine Gemahlin raubte. Scheinbar gelang ihm dieses Unterfangen; jedoch im weiteren Teil der Geschichte wird zwar sein Wagemut besungen, dies rettet ihn jedoch nicht, ganz im Gegenteil.

Ph. Da Rin Puppel