Werte der Landschaft

Eine Landschaft in Entwicklung

In der kollektiven Vorstellung sind die Dolomiten imposante und unbewegliche Gebirgsmassive, die oft in romantischen Fotografien festgehalten und kristallisiert werden. In Wirklichkeit ist die Dolomitenlandschaft alles andere als unbeweglich, und um ihre Bewegung zu begreifen, muss man sich zunächst mit den verschiedenen Zeitskalen vertraut machen, die sie prägen: von der unergründlichsten des Atems der Erde bis zu der, die wir mit unseren Sinnen im Laufe eines Tages erfassen können.

Die geologischen Zeiten sind im Vergleich zur menschlichen Erfahrung oft so ausgedehnt, dass sie sich unserer Vorstellungskraft entziehen. Es dauerte Hunderte von Millionen Jahren, bis die Dolomitenlandschaft, die wir heute sehen, durch die großen Prozesse der Lithogenese (Gesteinsbildung), Orogenese (Verformung und Hebung von Gestein) und Morphogenese (Formung der Landschaft durch Erosion) entstand. Einige dieser natürlichen Prozesse sind immer noch im Gange, auch wenn sie nicht wahrnehmbar sind. Andere ereignen sich in wenigen Augenblicken, wie z. B. der Einsturz eines Felsvorsprungs, und fallen dann durch die Gewalt auf, die sie auslösen.

Dann gibt es Momente, in denen sich die Dolomitenlandschaft abrupt, aber sanft verändert, etwa wenn sich die Weiden nach einem Schneefall mitten im Sommer weiß färben oder wenn die Felsen in der Morgen- und Abenddämmerung im so genannten Alpenglühen aufleuchten. Durch die besondere Struktur und Zusammensetzung des Dolomitgesteins und durch die Änderung der Lichtverhältnisse im Tagesverlauf zeigen die Felswände der Dolomiten ein spektakuläres Farbenspiel: so leuchten sie während des Sonnenaufgangs und -untergangs in warmen Farbtönen (orange, rot, violett), in der Mittagssonne wirken sie blass und verschwommen, in der Dämmerung und im Licht des Mondes hingegen kalt und übernatürlich – daher auch der Name Bleiche Berge.

Paesaggio con le Tre Cime di Lavaredo