Erhabene Schönheit

Seit jeher haben die Dolomiten in jedem ihrer Besucher einen großen Eindruck hinterlassen und dessen Fantasie beflügelt. Inspiriert von den gewaltigen Felsriesen der Dolomiten erzählen sich die Bewohner dieser Berge seit Urzeiten alte Sagen und Legenden, die einen grundlegenden und unverzichtbaren Bestandteil ihrer kulturellen Identität darstellen.

Für diejenigen, die nicht in diesen Tälern lebten, waren die Dolomiten dagegen lange Zeit ein Durchreisegebiet, das oft nur unter großen Schwierigkeiten zu bewältigen war. In jüngerer Zeit, als im 18. Jahrhundert in Europa ein neues Interesse an den Naturwissenschaften und eine neue ästhetische Vorliebe für das Erhabene aufkam, wurden die Dolomiten zum Objekt von Studien und Bewunderung. Das Hochgebirge der Dolomiten war nicht mehr nur ein Ort des Transits, der Jagd oder der Almwirtschaft, sondern wurde immer mehr zu einem Ziel, das wegen seiner geologischen Besonderheiten und seiner erhabenen Schönheit aufgesucht wurde.

Aber was bedeutet „erhaben“? Im 18. Jahrhundert setzten sich Denker und Künstler zunehmend mit dem Begriff der Schönheit und den Emotionen auseinander, die durch die Beobachtung von Naturphänomenen ausgelöst werden. Dabei erkannten Sie, dass das Naturschauspiel selbst, das von übermenschlichen, dem Menschen oft feindlich gesinnten Kräften beherrscht wird, beim Betrachter gegensätzliche Emotionen wie Schrecken und Genuss, Angst und Anziehung auslöst. Wie kann man zum Beispiel die Faszination eines Sturms oder eines Vulkanausbruchs rational erklären? Dank der Technik und des Wissens von heute hat sich der Umgang mit den Dolomiten grundlegend gewandelt, und sie sind im Gegensatz zu früher gar zu einem Konsumgut geworden. Dennoch können wir immer noch über die Erhabenheit dieser Berge staunen. Denn auch in einer Zeit, in der unser Blick immer mehr durch den Bildschirm eines Smartphones gelenkt wird, sind die Dolomiten noch immer in der Lage – wenn wir es wollen –, tiefe Emotionen in uns hervorzurufen und uns an die Schwelle zur irrationalen Welt des Geistes zu entführen.